„Das Links-Rechts-Gefälle“ oder „Warum ist die Öffentlichkeit auf dem linken Auge blind?“

Rote Flora

Vor wenigen Wochen (aktualisiert) kam es in Hannover zur nächsten großen Demonstration von Hooligans und Rechten unter dem Banner der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa). Im Gegensatz zur ersten großen Demo in Köln zuvor, blieben gewalttätige Zwischenfälle aus. Fast zumindest. Denn Provokationen und Gewalt gegen Demonstranten hat es gegeben, auch Angriffe auf Polizisten: von sogenannten „Linken“, die eigentlich Linksextremisten sind. Groß thematisiert wird dies medial aber nicht. Warum eigentlich? Die Antwort: In Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren ein „Links-Rechts-Gefälle“ etabliert. Während Gewalt von Rechts gerne zum nationalen Problem hochgeschrieben wird, scheint Gewalt von Links ein unangenehmer, aber tolerierbarer Nebeneffekt zu sein – solange sie unter dem Deckmantel „Bunt gegen Braun“ eskaliert. Sind die deutschen Medien auf dem linken Auge blind?

Eine kleine Geschichte vorab: Vor einigen Jahren war ich Schüler einer Fachoberschule in Augsburg, sozialer Zweig. Zur Ausbildung gehörten auch Praktikas in sozialen Einrichtungen: Krankenhäuser, Krankengymnastik, Kindergärten, Sonderschulen, Psychiatrie, sowas halt. Branchen also, in denen linkspolitisches Gedankengut eine gewisse Meinungshoheit besitzt.

An einem Montag stand ich in einer dieser Einrichtungen und lauschte einem Gespräch zweier Kollegen: In irgendeinem deutschen Stadion war es am Wochenende zu Ausschreitungen gekommen, Polizisten hatten die Ränge gestürmt, Beamte wurden verletzt. Einer meiner Kollegen fragte: „Waren das linke oder rechte Randalierer?“. Kurzes Schweigen. „Linke, glaub ich“, bekam er als Antwort. Ein Lächeln: „Na, dann ist ja in Ordnung.“

„Wir haben Dich im Blick“

Was wollen Sie mit dieser Geschichte beweisen? Das könnte man mir an dieser Stelle entgegnen. Gar nichts, wäre die Antwort. Es ist eben nur eine Geschichte, eine von vielen. Wie jene, die von Che-Guevara-Postern – einem mordenden Revolutionär – in Jugendzimmern handeln, von Angriffen auf AfD-Stände, von brennenden Autos in linken Hochburgen wie Berlin-Kreuzberg oder den alljährlichen Krawallen am 1. Mai.

Geschichten von Sankt-Pauli-Anhängern, die einen Polizisten auf ihrer Tribüne ausmachen – einen Fan, keinen Zivi – und handgreiflich werden. Geschichten von Hetzjagden auf Rechte, die in linken Foren mit Bild, Namen und Adresse zum Freiwild erklärt werden, obwohl das Gewaltmonopol immer noch beim Staat liegt. Eine Geschichte wie jene, die von meiner ersten Erfahrung als Journalist mit dem Antikapitalistischen Block (alias „Schwarzer Block“ alias „Antifa“) handelt.

Vor drei Jahren war ich als Reporter bei der Gegendemonstrationen zur Münchner Sicherheitskonferenz (SiKo) vor Ort, bin mit dem Schwarzen Block mitgelaufen, habe mitnotiert und mit einer Digitalkamera Fotos der vermummten Linken und ihren Spruchbändern geknipst. Auf Tuchfühlung mit der Antifa, nicht 20 oder 30 Meter entfernt wie viele Kollegen.

Da kam jemand aus der Gruppe auf mich zu und rempelte mich an: „Für wen arbeitest du?“, sagte er. „Geht dich nix an“, sagte ich. „Du weißt, was passiert, wenn die Bilder gedruckt werden“, sagte er. „Ich mache hier nur meinen Job“,  sagte ich und gab ihm höflich zu verstehen, dass er sich nun auch wieder verpissen könnte. Wenige Minuten später musste ich beobachten wie ein Kollege, der einer ähnlichen Konfrontation mit weniger Ruhe und Sicherheit begegnete, bedrängt und bedroht wurde. Auch eine Kollegin wurde beschimpft.

Am Ende der Demo, zurück am Marienplatz, kam noch irgend ein fetter Vermummter auf mich zu, kniete sich drei oder vier Meter entfernt auf den Asphalt und machte ein Ganzkörper-Portrait von mir. Er nickte, lächelte süffisant und ging weiter. „Wir haben Dich im Blick“, sollte das heißen. Ich hatte verstanden. Auf dem Weg zur S-Bahn war ich etwas vorsichtiger als sonst.

Flüchtlingslager Düsseldorf

Die erste große Demonstration der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) in Köln hat eine nationale Debatte ausgelöst: Weil es zu Ausschreitungen und Übergriffen gekommen war stand Deutschland plötzlich Kopf. Die neue Rechte im anti-extremistischen Schafspelz wurde thematisiert, eine Mobilisierung der politischen Mitte durch Neonazis, die mit dem Kampf gegen Islamismus die Masse für ihre verdrehte Weltanschauung rekrutieren wollen (aktualisiert: ähnlich der Pegida heute)  – und nur dann und wann ihre hässliche Fratze zeigen. Sogar über eine mögliche Verschärfung des Versammlungsrechts wurde debattiert, ein Grundrecht, das für überzeugte Demokraten unverhandelbar sein sollte.

Dass es obendrein zu seltsamen Verallgemeinerungen gekommen ist –  Motto: „Hooligans gleich Rechtsextreme gleich Neonazis“ – war eigentlich schon absurd genug. Hooliganismus ist keine politische Orientierung. Hooliganismus ist viel mehr eine Art Hobby, das von Links wie Rechts, Armen und Reichen, Arbeitslosen und Akademikern – oder arbeitslosen Akademikern – gleichermaßen ausgeübt wird. Viele würden es Lebenseinstellung nennen. Aber politische Orientierung? Sicher nicht.

Die Geschehnisse in Köln wurden obendrein von vielen Medien so dargestellt als hätten tatsächlich alle 5000 (!) Hooligans, Rechtsradikale und Sympathisanten randaliert. Man stelle sich nur mal vor wie Köln ausgesehen hätte, wären es tatsächlich 5000 Randalierer gewesen. Wahrscheinlich müsste man die abgebrannten Mauern des Kölner Doms neu errichten – und das Innenministerium einen umfangreichen Plan vorlegen, wie die evakuierten Kölner wieder in ihre Domstadt zurückkehren könnten, nachdem sie zeitweise in Flüchtlingslagern in Düsseldorf untergebracht werden mussten. Was für den gemeinen Kölner wohl schlimmer wäre? Zurück zum Thema.

Deckmantel „Bunt gegen Braun“

In Hannover kam es – laut Medienberichten – zu keinerlei Ausschreitungen, trotz 3000 HoGeSa-Sympathisanten. Ein bisschen Provokation, ein bisschen Gebrüll… geschenkt. Randale blieben aus, angeblich dank des großartigen polizeilichen Konzepts, der No-Tolerance-Politik der Exekutive, Kontrollen, Präsenz, Stärke zeigen. Gar keine Ausschreitungen? Nicht ganz. Beamte wurden angegriffen, Demonstranten verletzt. Aber nicht von den HoGeSa, sondern von  linken Gegendemonstranten. Eigentlich Linksextreme, die von den Redaktionen und der breiten Öffentlichkeit aber kaum als solche entlarvt werden.

Und während deutschlandweit über ein Verbot der HoGeSa und ihrer Versammlungen diskutiert wird, erscheinen die Krawalle der Linken in Hannover erneut nur in Nebensätzen: als unangenehmer, kaum erwähnenswerter Nebeneffekt einer sonst völlig friedlichen „Bunt gegen Braun“-Demo. Der allergrößte Teil der  linken Gegendemonstranten blieb friedlich, heißt es dann, die HoGeSa-Teilnehmer aber blieben nur friedlich, weil das polizeiliche Konzept aufging, heißt es auch.

Das Schema bleibt das Gleiche: Alle Linken – bis auf ganz wenige Ausnahmen – sind die Guten, alle HoGeSa-Mitglieder und Unterstützer sind – ohne Ausnahme – die Bösen. Es ist das gleiche Prinzip, nachdem die Berichterstattung auch um ein oder zwei Ecken funktioniert. Drohungen gegen Journalisten von Linksaußen – wie ich sie selbst erlebt habe – spielen medial keine Rolle. Sie werden einfach nicht thematisiert.

Das Medienmagazin ZAPP hat vor gut einem Jahr darüber berichtet wie Journalisten bei rechten Demos eingeschüchtert und bedroht werden. Daraufhin hatte  ich der ZAPP-Redaktion eine Mail geschrieben – von Kollege zu Kollegen quasi – meine Geschichte erzählt, und sie darauf aufmerksam gemacht, dass haargenau das gleiche Phänomen auch bei linken Demonstrationen zu finden ist. Vielleicht berichten wir auch darüber irgendwann, hieß es in der Antwort. Einen solchen Bericht habe ich nie gesehen. Während Deutschland immer ganz verrückt spielt, wenn es um rechtes (wirkliches und vermeintliches) Gedankengut geht, geradezu paranoid auf der Hut ist und Kompromisslosigkeit aus allen Ecken und Enden propagiert wird,  schweigt die Öffentlichkeit beim Linksextremismus.

Spielfeld für linke Gewalt-Phantasien

Der völlig legitime  Kampf gegen den Extremismus – egal ob mit Artikeln, Kampagnen oder Wasserwerfern – hat leider nur genau zwei Ziele: Rechtsextreme und Islamisten. Und die Antidemokraten der Antifa lachen sich ins Fäustchen, während sie die Schauplätze eines angeblichen „Kampf gegen Rechts“ als Spielfeld für ihre Gewalt-Phantasien missbrauchen. Wo sind all die Extremismus-Experten, die sonst schon bei jeder provokanten Formulierung oder unglücklichen Werbekampagne auf die Barrikaden gehen und die Nazi- oder Islamisten-Keule schwingen?

Es gibt keine Kampagnen gegen „linke Gewalt“, keinen „Kampf gegen Linksextreme“, keine Aussteigerprogramme, keine Talkshows über die Gefahr von Links, keine Kommentare in den Massenmedien, keine strikten Verbote wie jenes, das den Auftritt der als rechtsextrem eingestuften Band „Kategorie C“ in Hannover untersagte. Nichts! Dabei sehen sich die Redaktionen und die breite Öffentlichkeit doch so gerne als moralische Instanz, als Hüter der Demokratie, als Kämpfer gegen jedwede Gewalt. Wo bleibt hier die nationale Debatte?!

 

 

Hinweis: Dieser Text ist ein Tag nach der HoGeSa-Demo in Hannover erschienen. Vereinzelt wurde in Klammern aktualisiert. 

UPDATE: Angeblich wurden am Samstag vier Demonstranten von der Antifa gejagt und krankenhausreif geschlagen. Eines der Opfer soll mit Messerstichen eingeliefert worden sein. Dieses Video soll den Angriff dokumentieren:

https://www.youtube.com/watch?v=-g6cR9PQT8A

UPDATE 2: Danke an Horst für seinen Kommentar und die Hinweise:

Hallo Ben,

und DANKE für Deinen mutigen Bericht. Das ist in dem Staat in dem wir leben nicht selbstverständlich.
Bitte gestatte mir eine kleine Korrektur.

Das von Dir am Ende verlinkte Video zeigt den Angriff auf die Kneipe Larifari aus Sicht einer Anwohnerin. Aus Sicht der Täter sieht das so aus:

https://www.youtube.com/watch?v=X03zkADWEvk

Die Messerattacke von ca. 40 Antifas gegen 4 Bielefelder Fussballfans fand an der HDI-Arena statt und ist nicht durch Video dokumentiert. Wobei ich mir sicher bin, dass da sicher ein Filmchen des Mordversuchs existiert, nur eben nicht öffentlich.

 

Bildquelle: Rote Flora – schwarzer Block, Florian Bausch unter cc-by-sa 

 

9 Gedanken zu “„Das Links-Rechts-Gefälle“ oder „Warum ist die Öffentlichkeit auf dem linken Auge blind?“

  1. Was erwartest Du in einem Land, wo jede Meinung und jede Stimme die nicht Links ist, direkt in die rechte Ecke gedrängt wird? Würde mich nicht wunder, wenn zu diesem guten Artikel auch solche Stimmen laut werden.

    Toller Blog übrigens, Willkommen im RSS-Reader.

    LG Thomas

  2. Zuerst einmal: ich sitze im Zug und tippe diesen Text auf meinem Smartphone. Ich gebe aber mein bestes. 😉

    Jede Art von Gewalt ist zu verurteilen. Allerdings bin ich komplett anderer Meinung als du. Während sich „linke“ Reporter, Aktivisten oder einfach nur Bürger die sich links der Mitte bewegen schnell mal ins Raster des Verfassungsschutz rutschen und dann staatlichen Überwachungsmaßnahmen ausgesetzt sehen, gab es parallel den NSU, der mit freundlicher Unterstützung des Verfassungsschutzes mehrere Menschen umgebracht hat. Das man da nicht aktiv geworden ist waren natürlich alles nur blöde Zufälle und Missverständnisse.
    Und wenn ich mir dir Reaktionen der Polizei in Köln vor Augen führe kann ich über dein wehklagen eigentlich nur lachen. Du kannst dich ja mal schlau machen wie man letztes Jahr mit der von links organisierten Blockupy Demo in Frankfurt umgesprungen ist. Nach 500 Metern wurde der Zug gestoppt und mehrere hundert Menschen über Stunden eingekesselt. Der Grund? Ein paar Pyros und angebliche Vermummung mit Regenschirmen.
    Ich bin prinzipiell für eine pluralistische Gesellschaft in der jeder sagen darf was er denkt. Aus diesem Grund stehe ich einem Verbot der NPD auch kritisch gegenüber. Persönlich kann ich jedoch mit der rechten Gesinnung wenig anfangen, da diese mMn. im Endeffekt eine Menschen verachtende Weltanschauung transportiert.
    Wie dem auch sei, wer Hass säht, wird Hass ernten. Wer Methoden einsetzt um seine „Gegner“ durch fotografieren, Veröffentlichung der Adresse etc. einzuschüchtern wie es zuerst von der Rechten massiv eingesetzt wurde, der darf sich nicht wundern, wenn bei einem selbst die selben Methoden eingesetzt werden. Ich persönlich empfinde das als Kindergartenspiele.

    Wie dem auch sei, was du hier betreibst ist jammern auf hohem Niveau. Was ich bedauerlich finde ist, das man nicht mal die Eier hat zu dem zu stehen was man macht, sondern nur den Zeigefinger auspackt und heulend auf andere zeigt. Dabei zeigen übrrigens drei Finger AIF einen selbst.

    So long,

    Marcus

    • Servus Marcus, danke für deinen Kommentar. Vielleicht kurz eine Antwort darauf, wenn du Dir schon die Mühe machst und mit dem Smartphone tippst: Ich bin im Prinzip absolut deiner Meinung und lehne jede Art von Gewalt ab. Genau deshalb wäre es falsch, wenn wir Gewalt nach politischen Positionen beurteilen. Mir geht es also keineswegs darum zu klassifizieren. Die Morde der NSU waren unfassbar grausam, was bei der RAF abgelaufen ist dennoch genauso, oder denken wir mal an den Stalinismus, die Rote Khmer, etc. Mir ging es vor allem darum zu sagen: Gewalt gehört verurteilt, egal woher sie kommt, egal unter welchem Deckmantel sie eskaliert. Deshalb habe ich an dieser Stelle die Gewalt von Links zum Thema gemacht, weil Gewalt von Rechts oder aus vermeintlich religiösen Gründen hoch- und runterthematisiert wird in allen Medien. Nur über Gewalt von Links spricht kaum jemand. Dabei bin ich der Meinung – und viele andere sicher auch – dass Linksextremisten nichts weiter als rotlackierte Faschisten sind und als solche entlarvt werden müssen. Gewalt ist nie eine Lösung. Liebe braucht die Welt, aber vor allem Verstand. So long und liebe Grüße, Ben

      • Deine These: Ungleichgewicht der medialen Aufmerksamkeit fuer rechte im Vergleich zu linker Gewalt. Marcus Gegenargument: Rechte Gewalt spielt mit den rassistisch motivierten Morden der NSU in einer anderen Liga als linke Gewalt und erfährt angesichts dessen noch zu wenig Aufmerksamkeit [meine Anmerkung: Spitze des Eisbergs: http://de.wikipedia.org/wiki/Todesopfer_rechtsextremer_Gewalt_in_Deutschland#Nach_der_deutschen_Wiedervereinigung_.28seit_1990.29%5D. Dein Gegenargument: Die RAF war genauso schlimm. Und genau hier wird’s absurd. Die ganze Republik ist Sturm gelaufen gegen die RAF, die Medien des Landes haben Jahrzehnte von dem Thema gelebt, jede Postfiliale in Hintertupfingen hatte Plakate. Wo ist eine nur Ansatzweise vergleichbare Reaktion zur NSU? Deiner These zu Folge müsste das Land Kopf stehen. Die anhaltende Serie rassistischer Morde in Deutschland müsste eine allumgreifenden Entrüstung nach sich ziehen, ein Medienecho so überwältigend, dass selbst die obsessive Berichterstattung zur RAF der 70er und 80er Jahre dagegen erblasst. Marcus hat Recht: Das Gegenteil ist der Fall.

      • Lieber Ben, leider verdrehst du in deinem – mir als absurd vorgeworfenen – Vergleich einiges rund um RAF und der NSU. Zunächst war die RAF nur ein Beispiel, eines von vielen, in meiner Antwort und eigentlich überhaupt nicht Gegenstand der Debatte an sich. Des Weiteren wurde deshalb medial und so intensiv nach der RAF gefahndet, weil es eine real existierende Gruppierung war, die aus mehr als einer handvoll Mitgiledern bestand. Bei der NSU liegt die Gewichtung anders: Zwei der drei Hauptverantwortlichen sind tot, die Dritte steht bereits vor Gericht. Welche „anhaltende Mordserie“ du meinst, ist mir an dieser Stelle also leider schleierhaft. Obendrein hat es die RAF geschafft, tatsächlich zu mobilisieren und zu rekrutieren durch ihre Taten und die damit einhergehende „Kampf dem Staat“-Propaganda. Bei der NSU bestanden Verbindungen bereits und sind im Anschluss eskaliert. Ein weiterer gravierender Unterschied. Dritter Punkt: Die RAF war eine anonyme, undefinierte Gefahr, die hier und da auftauchte, bedrohte, erpresste, ähnlich der ETA beispielsweise, während bei der NSU von einem ganzen und gesichtslosen Netz zu sprechen Unfug ist. Die NSU war und ist keine durchstrukturierte Terrororganisation ala IS, ETA, IRA oder eben RAF. Viertens: Der Artikel selbst bezieht sich weder auf die NSU, noch die RAF. Thematisiert in diesem Blog-Eintrag wird das mediale Ungleichgewicht bei Setzung der Schwerpunkte auf Islamismus, Rechtsexrrimismus und Linksextremismus. Und während radikale Islamisten und Rechtsradikale als radikal benannt werden, kommt es medial maximal zu einem „Linksautonom“. Und der letzte und wichtigste Punkt: Dieser Artikel zielt – wie man merken sollte – nicht darauf ab, Gewalt aus religiösen oder faschistischen Gründen zu relativieren oder – Gott bewahre – herunterzuspielen, sondern auf die Tatsache, dass es die Gewalt von Links ist, die de facto relativiert und heruntergespielt wird. Das geht so weit, dass Politiker wie etwa Fahimi oder Roth sich auch noch im Schulterschluss mit Antifa präsentieren. Ebenso wie gewisse Kollegen, die sich allzu eifrig in Netzwerken gegen Rechts organisieren und sich so – wenn auch unfreiwillig – mit der gewaltbereiten, nach Randale dürstenden Antifa solidarisieren. Eine Antifa, die unseren demokratischen Rechtsstaat ablehnt, somit anti-demokratisch, also in letzter Konsequenz faschistisch ist. Eine Organisation, die gezielt Jagd auf Andersdenkende macht, den Gesetzgeber nicht als Instanz akzeptiert und ihre Gewaltausbrüche auch noch heroisch inszeniert und dokumentiert. Was Antifa und Neo-Nazis in letzer Konsequenz nur in ein paar wenigen Positionen unterscheidet – sieh dir ruhig einmal die Schnittmengen beider an -, aber nicht in der Art und Weise, wie der verdrehten, anti-demkratischen Weltsicht Ausdruck verliehen wird. Nämlich durch absolute Ignoranz der bestehenden Gesetzgebung und – jetzt wird’s spannend – mit Gewalt. Der Hintergrund dieses Artikels ist folgender: Gewalt muss immer und überall kompromisslos angeklagt, kritisiert, bekämpft werden. Das ist meine Meinung, die Meinung, die an dieser Stelle publiziert wurde. Und zwar unabhängig von der politischen Orientierung und somit unabhängig davon, unter welchem Deckmantel sie eskaliert. Übrigens ist eine Meinung nicht automatisch absurd, nur weil Du sie nicht teilst. Auch das – im Übrigen – macht eine Demokratie aus. Sie endet nicht dort, wo deine Weltanschauung beginnt, und auch nicht dort, wo deine Meinung überwunden wird. Wir können gerne debattieren, aber der Vorwurf der Absurdität ist mir – bei aller Liebe – schlichtweg zu billig. Alles in allem kommt es natürlich darauf an, ob Du Gewalt prinzipiell ablehnst oder nur unter gewissen Vorzeichen oder ideologischen Prägungen. Kleiner Denkanstoß zum Abschluss. Liebe Grüße, Ben

      • Danke für die schnelle Antwort. Es ging mir nicht darum deine *Meinung* als absurd zu diskreditieren, sondern darzulegen warum ich dein Argument gegenüber Marcus für absurd halte. Konkret, warum mir dein Hinweis auf die RAF und andere linke Verbrechen vor dem Hintergrund deiner These absurd erscheint. Wenn das zu scharf formuliert ist können wir uns ja vielleicht auf ’nicht stichhaltig‘ einigen?

        Ich sehe nach wie vor nicht, wie deine These vom übersensiblen rechten und dem blindem linken Auge mit der medialen Reaktion auf die RAF und rechtsextremer Gewalt seit 1990 auf der anderen Seite zusammenpasst. Die Argumente die Du jetzt anführst lassen sich aus meiner Sicht zusammenfassen mit: Medienecho auf politisch motivierte Gewalt (or lack thereof) hängt nicht nur davon ab ob sie von links oder rechts kommt, das ist zu vereinfacht gedacht. Ein weiteres Argument, dass sich aus meiner Sicht postwendend gegen deine eigene These dreht. Noch zu einigen einzelnen Punkten:

        – Ja die RAF war nur ein Beispiel, aber das einzig relevante im Kontext ‚Medienrezeption politisch motivierter Gewalt in Deutschland‘

        – Zur anhaltenden Mordserie: Siehe oben verlinkter Wikiartikel. Seit 1990 mehr rechtsextrem motivierte Morde in Deutschland als die RAF in ihrer Gesamtheit, Ende nicht in Sicht. Du hast sicher recht damit, dass die RAF medial greifbarer war als die Hintergründe dieser politisch motivierten Morde. Trotzdem ist diese Schwachsichtigkeit auf dem rechten Auge (da wo es wirklich weh tun wuerde) meines Erachtens die tatsächliche Katastrophe.

        – Ich bin mir nicht so sicher worauf Du mit dem Punkt der Gesichtslosigkeit der RAF abzielen willst. Wenn es um die wahrgenommene Bedrohung geht: Der Hauptunterschied dürfte wohl darin liegen, dass sich vor rechtem Terror niemand fürchten muss, der ‚deutsch‘ aussieht. Der Grossteil der medialen Zielgruppe muss sich nicht dafür interessieren weil es ihn nicht persönlich betrifft. Diese Wahrnehmung war deutlich anders bei der RAF.

        – Ja, der Artikel bezieht sich nicht auf RAF oder NSU aber verallgemeinert ganz klar über die konkreten Beispiele Islamismus/HoGeSa hinaus. Die These zur Debatte steht ist die von der Blindheit auf dem linken Auge.

        – Das Gewalt daneben egal welche Farbe sie trägt ist klar. Aber wenn ich dein Argument hier richtig verstehe, schlussfolgerst Du auf ein Ungleichgewicht der medialen Wahrnehmung daheraus, dass links- und rechtsextreme Gewalt unterschiedlich dramatisch dargestellt wird. Die Prämisse dessen ist, dass die dahinterstehenden Realitäten gleich dramatisch sind. Diese Prämisse erscheint mir fragwürdig. Es macht einen gewaltigen Unterschied, dass die Neonazis, die da Rudolph Hess abfeiern aufgrund ihrer Ideologie regelmäßig Menschen in Deutschland töten (oder – um dein Beispiel Islamismus zu nehmen – nach Syrien fahren um Geiseln den Kopf abzuschlagen). Das Gleiche kann ich bei den Che Verehrern die sich bei G-20 mit Polizisten kloppen einfach nicht erkennen. Das heisst nicht, dass ich letzteres irgendwie OK finde. Aber eben eine ganz andere Liga.

      • In diesem Zusammenhang passt der Satz „Das Gleiche kann ich bei den Che Verehrern die sich bei G-20 mit Polizisten kloppen einfach nicht erkennen“, eigenltich genau in das Schema, das ich an dieser Stelle kritisiere. Natürlich ist es ein gewaltiger Unterschied, ob jemand mordet, oder sich mit Polizisten „kloppt“. Trotzdem bin ich überzeugt, dass massive Gewalt, die zum Tod des Opfers führen kann, in der linksextremistischen Szene eine ähnliche Keimzelle findet wie in der rechtsextremistischen oder salafistischen Szene. Warum? Weil alle drei Szenen aggressiv, ideologisch aufgeladen sind, was in letzter Konsequenz immer auch in einer Jagd auf Andersdenkende gipfeln wird. Ich behaupte weiter, dass allein die Tatsache, dass es in Deutschland aktuell keine linke Serie massiver Gewalt gibt, nicht etwa daran liegt, dass Antifa und Co. weniger extremistisch sind als die beiden anderen Gruppen und auch das Gewaltpotenzial nicht geringer ist. Aber lass uns vielleicht einen Blick auf die Masse werfen, die Masse beider Gruppen: Der „normale“ Neo-Nazi rennt auch nicht rum und bringt Leute um, genauso wenig wie der „normale“ religiöse Extremist rumrennt und Leute ermordet. Der Großteil, größte Teil, nahezu alle, sind Gewalttäter oder solche, die Gewalt zumindest als legitim betrachten, wenn sie der eigenen Weltanschauung entspricht. An dieser Stelle zum „auf dem linken Auge blind“: Linksextremismus wird nicht als Gefahr gesehen, sondern zumeist als unangenehmer Nebeneffekt ansonsten berechtigter Demos gegen Rechts. Und während der Otto-Normalbürger sich in einer Reihe mit „antifaschistischen“ Gegendemonstranten wohlfühlt, wird etwa die AfD wie die berühmte Sau durch’s Nazi-Dorf getrieben. Und während über Ausschreitungen von links eindeutig weniger berichtet wird, taugt es auf der anderen Seite schon zur Eilmeldung, wenn eine rechte Demonstration friedlich bleibt. Natürlich ist rechte Gewalt eine real existierende Gefahr, die Gewalt von links aber genauso, was sich etwa an den Messerattacken auf HoGeSa-Teilnehmer am vergangenen Samstag zeigt. Damit ist die Antifa bereits jetzt schon – was das Gewaltpotential betrifft – weiter gegangen als die HoGeSa in den vergangenen Wochen. Trotzdem wird die eigentliche Gefahr bei den Teilnehmern der Anti-Islamismus-Demos gesehen. Es geht mir, noch einmal, nicht darum, zu sagen, hach, die HoGeSa sind also ganz nette Jungs, sondern darum, dass trotz der Messerangriffe etwa keine nationale Debatte entsteht, während bei HoGeSa alle ganz verrückt spielen. Nicht einmal die Verbindungen der Grünen, der SPD oder der Linken zum gewaltbereiten schwarzen Block werden thematisiert. Es scheint völlig in Ordnung zu sein, wenn eine Roth oder Fahimi Seite an Seite mit ideologie-durchtränkten Gewalttäter marschieren. Das ist das wirklich absurde. Obendrein scheint die Antifa doch eine gewisse Faszination sogar auf eigentlich kluge Menschen auszuüben, deshalb befinden sich in deren Reihen auch viele Studenten. Im Unterschied zum Rechtsextremismus, wo man durchaus behaupten darf, dass die sogenannte gebildete Schicht dort deutlich weniger vertreten ist. Meine Frage: Warum sehen wir weg, wenn sich junge, kluge Köpfe ideologischen Gewalttätern anschließen, während wir etwa bei HoGeSa hingehen, alle in einen Topf werfen und Medien wie Zeit oder Spiegel von „Nazi-Aufmarsch“ schreiben, während sie über Gewalt von Links kaum berichten. Mir geht es nicht um die extremsten Auswüchse wie Morde, sondern eben tatsächlich um die Masse an Krawallbrüdern, von links wie rechts. Und darum, dass beide als gewalttätige oder zumindest gewaltbereite Extremisten entlarvt werden müssen. Und zwar BEVOR es zu einer neuen RAF kommt.

  3. Hallo Markus,

    und DANKE für Deinen mutigen Bericht. Das ist in dem Staat in dem wir leben nicht selbstverständlich.
    Bitte gestatte mir eine kleine Korrektur.

    Das von Dir am Ende verlinkte Video zeigt den Angriff auf die Kneipe Larifari aus Sicht einer Anwohnerin. Aus Sicht der Täter sieht das so aus: https://www.youtube.com/watch?v=X03zkADWEvk

    Die Messerattacke von ca. 40 Antifas gegen 4 Bielefelder Fussballfans fand an der HDI-Arena statt und ist nicht durch Video dokumentiert. Wobei ich mir sicher bin, dass da sicher ein Filmchen des Mordversuchs existiert, nur eben nicht öffentlich.

    Mit freundlichen Grüssen

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